Zugegeben, wer wie ich als Vollzeit-SEO auf das Internet schaut, sieht oftmals nur noch das, was er sehen will: Rankings, Contentstrategien und mehr oder weniger sinnvolle KPIs. Wir predigen tagein tagaus im Sinne des Nutzers handeln zu müssen und "optimieren" das Web am Ende doch wieder nur für Maschinen. Das ist nun mal das, was wir können. Dabei ist das Netz viel mehr. Es ist gesellschaftsbildend, meinungsstark, unterhaltend und bietet den Menschen nicht selten eine Lebensgrundlage. Nimmt man die Marketing-Scheuklappen einfach mal ab, versteht man auch, warum das Web die Welt und uns verändert hat und noch weiter verändern muss. Dafür hassen wir es und lieben es gleichzeitig wieder. Die "The Next Web Conference 2015" in Amsterdam hat mir geholfen, das große Ganze wieder zu entdecken. Und besser zu verstehen. Dabei ist mir klar geworden, warum ich meinen Job liebe.
Im Alltagsgeschäft sind wir gezwungenermaßen thematisch festgefahren - klar; wir sind Experten - allerdings nur für (kleine) Teilbereiche des Internets. Das vergessen wir nur zu gern. Dieses Verhalten, man möchte sagen das bewusste Verdrängen, ist logisch und sogar natürlich bedingt, denn wir verändern uns einfach nicht gern. Wir fotografieren schließlich nur deswegen, weil wir versuchen, den Moment festzuhalten. Wir verschwenden den Großteil unserer Lebenszeit schlichtweg damit den Status Quo zu erhalten. Wir springen nicht gern in unbekannte Gewässer, dort könnten ja Gefahren lauern. Zwingt man sich jedoch bewusst dazu, gehen wir in Wirklichkeit gar nicht unter, sondern lernen zu schwimmen. Diese Konferenz hat mich erstmals seit langer Zeit wieder gezwungen Schwimmen zu gehen.
David Allen äußerte sich ausgiebig zum Ist-Zustand der Organisation von Prozessen. Sein inzwischen 15 Jahre altes Buch machte Ihn zum Vater der Produktivitätsmethode namens "Getting Things Done" (GTD). Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich dabei um ein weitverbreitetes System zur Selbstorganisation. Nicht verwunderlich, dass er sich thematisch treu blieb und die Perspektiven durch das Web aufzeigte:
Ein Recap-Versuch zur TNW Conference in Amsterdam
Als regelmäßiger Besucher von SEO- und Online-Marketing-Konferenzen war ich bisher der Meinung, dass ich das Internet in den groben Zügen verstanden hätte. Wir, die Personen hinter den einzelnen Marketing-Kanälen, feiern uns bei solchen Events am Ende des Tages selbst und vergessen dabei, dass das Netz eigentlich aus viel mehr als nur Rankings und Klickzahlen besteht. Aus dieser Erkenntnis heraus entstand die Idee, mal einen Schritt zurückzutreten und zu versuchen das große Ganze wieder zu sehen. Als ich dann schließlich mein Ticket für die "The Next Web Conference" in Amsterdam gebucht hatte, war mir allerdings noch nicht klar, wie schwierig das eigentlich ist.
"Heutzutage kann jeder mit einem Breitbandzugang ein Geschäft eröffnen und damit die Welt verändern. Das ist das Aufregende an der Ära in der wir leben." — Gary Shapiro
Gary Shapiro ist ein Tausendsassa. Als Anwalt sorgte er in den 80er Jahren unter anderem dafür, dass beispielsweise der Videorekorder als legal eingestuft wurde. Genau dieser disruptiven Innovation, also der marktverändernden Rolle des Videorekorders, haben wir es schließlich zu verdanken, dass wir iPods mit MP3-Dateien mit uns herumtragen konnten und unseren Medienkonsum dank Smart-TVs, Smartphones und unzähligen Streamingdiensten selbst steuern können. Digitale Medienfreiheit für alle! Natürlich hat die Film- und Musikindustrie versucht, solche Geräte, die die "illegale" Aufnahme und Wiedergabe von Medien ermöglichten, zu verbieten. Sie wollten einfach ihren Status Quo erhalten. 30 Jahre später haben wir das zwar verstanden, aber noch lange nicht verinnerlicht. Denn auch heute sprechen wir darüber, ob eine Drohne überall fliegen darf und streiten weiter vor den Gerichten der Welt, ob alternative Fahrdienstleister den Taxi-Stand gefährden. Dabei sollten wir irgendwann verstehen, dass wir nur durch Veränderungen nachhaltige Entwicklungen herbeiführen können. Wir benötigen diese Innovationen. Auch auf die Gefahr hin, dass Berufszweige wegbrechen und Menschen unter der Veränderung leiden könnten. Es werden neue Märkte entstehen. Wir müssen uns nur transformieren und darauf einlassen. Das Internet ist laut Shapiro in der Lage, die Welt noch stärker zu verändern als bisher geschehen. Die besagte digitale Transformation steckt noch in den Kinderschuhen. Laut ihm werden neben Drohnen vor allem 3D-Drucker und selbstfahrende Autos die Welt nachhaltig verbessern. Auch wenn uns dieser Wandel erst einmal wehtun könnte: Wir müssen es zulassen! Juristisch und in unseren Gedankengängen.Noch mehr gesammelte Gedanken von klugen Köpfen
Die TNW Conference ist nicht nur geistig herausfordernd. Mit gleich vier Stages war an zwei Tagen volles Programm geboten. Von der Hackbattle über 120 Start-up-Präsentationen, von Buchautoren über Vertreter namhafter Firmen wie Amazon, PayPal, Adobe und Google, bis hin zu Internet-Ikonen war alles dabei. Dem geneigten Internetliebhaber ist das Herz aufgegangen. Nachfolgend möchte ich deshalb versuchen zumindest bruchstückhafte Impressionen in Form von Zitaten zu transportieren:"Egal was die Zukunft in diesem Bereich bringt: Wenn du keine Ahnung von etwas hast, wird die Technologie es nicht besser machen." — David Allen

- "Ich muss noch immer darüber nachdenken, an was und wann ich daran denken muss. Computer könnten dabei helfen."
- "Heutzutage sind entsprechende Apps nur eine Entscheidungshilfe, noch führen sie dich nicht durch die Entscheidungsfindung."